Sonntag, 19. August 2018

Polarisierung: Rechtsruck und der Aufstand dagegen

Wie von uns befürchtet machen die Parteien, allen voran die CSU, ihre Ankündigung wahr, dem Aufschwung der AfD mit einem Rechtsruck zu begegnen. Bisheriger Höhepunkt war die von der CSU vom Zaun gebrochene Regierungskrise um eine weitere Verschärfung der Politik gegenüber Flüchtlingen durchzudrücken. Wenig überraschend hat die wochenlange Debatte vor allem der AfD genützt, die in den Umfragen gegenüber der Bundestagswahl (12,6 Prozent) auf je nach Umfrage zwischen 14-17 Prozent gestiegen ist.

Insbesondere Seehofer und die CSU haben den Bogen diesmal aber überspannt. Die Kriminalisierung der Seenotrettung und vor allem Seehofers zynische Bemerkung zu Abschiebungen haben das Fass zum Überlaufen gebracht. und eine massive Gegenbewegung hervorgerufen. Diese Bewegung äußert sich sowohl politisch als auch auf der Straße.

Laut einer Spiegel-Umfrage denken zwei Drittel dass es einen Rechtsruck in Deutschland gibt. Ebenfalls zwei Drittel beklagen eine „Verrohung des politischen Klimas“. 80 Prozent finden, dass die Flüchtlingsfrage einen zu großen Raum in der politischen Debatte einnimmt und analog dazu denken 80 Prozent dass der Pflegenotstand einen zu geringen Raum in der politischen Debatte einnimmt.

Diese linke Seite der Polarisierung drückt sich in Umfragen in einem starken Aufschwung der Grünen (von 8,9 Prozent bei der Bundestagswahl auf jetzt 14-15 Prozent) und einem schwächeren Aufschwung der LINKEN (steht zwischen 10-11 Prozent, Bundestagswahl 9,2 Prozent) aus. Beide Parteien haben weiter starke Mitgliederzuwächse, gespeist aus einem Aktivierungsschub aufgrund der Rechtsentwicklung.

Noch viel bedeutender als die politischen Verschiebungen ist der momentane Bewegungsaufschwung. Diesen Sommer haben wir gleich vier Bewegungen auf der Straße, mit fließenden Übergängen der politischen Zielsetzungen und des Publikums, aber alle unter dem Label „Aufstehen gegen den Rechtsruck“ zusammen zu fassen.

I) #Seebrücke: Eine mehr oder minder spontane Bewegung gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung, getragen sowohl von den großen Flüchtlingshilfe-NGOs wie Seawatch (die eine beeindruckende Liste von Promis wie Grönemeyer, Kühnert etc für die Unterstützung der privaten Seenotrettung organisieren) über kleinere Inis bis hin zur IL. Die Bewegung selbst hat aber eine Eigendynamik weit über den Kreis der vorher Organisierten hinaus und im gesamten Bundesgebiet plus Österreich und Schweiz bisher Hunderte von größeren und kleineren Demos, Kundgebungen und Mahnwachen organisiert. Der Prozess gegen den Kapitän der Lifeline läuft noch bis mindestens Mitte September, die Bewegung wird also zumindest ein paar Wochen weitergehen.

II. #Ausgehetzt/#unteilbar: Ausgehetzt war der Titel der großen Demo am 22.7. gegen die Hetze der CSU in München die mit 40.000 Teilnehmern einen großer Erfolg war und wie die Seebrücke auch ein großer Spektrum von Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Kunstszene zusammengebracht hat. Die CSU steht mittlerweile vor der bayrischen Landtagswahl unter großem Druck, weil ihr Rechtsruck zwar die AfD gepusht, die CSU selbst und insbesondere Söder und Seehofer hat abstürzen lassen. Die Bewegung soll jetzt in Berlin weitergeführt werden, ein Bündnis in Berlin hat sich gegründet mit dem Ziel, am 13. Oktober eine Großdemo mit 100.000 Teilnehmern unter dem Titel #unteilbar auf die Straße zu stellen. Die LINKE ist Teil des Bündnisses. Das Ziel ist ambitioniert aber angesichts der 72.000, die gegen die AfD am 27.5. demonstrierten nicht aus der Luft gegriffen. Das Potential für Demos gegen den Rechtsruck in der Stadt ist sehr groß, zumal sich die Clubszene wieder richtig reinhängt.

III. NoPaG/NoPG: In den beiden größten Bundesländern Bayern und NRW hat sich jeweils eine Bewegung gegen die Novellierung des Polizeigesetzes formiert, die ebenfalls breit aufgestellt sind. In Bayern ist das Gesetz beschlossen, das Bündnis plant aber aufgrund des großen Erfolges der ersten NoPag-Demo im Mai mit 25.000 weitere Großdemos um den Druck aufrecht zu erhalten. In NRW hatte die Bewegung am 7. Juli mit 20.000 Teilnehmern in Düsseldorf einen starken Auftakt und mobilisiert jetzt verstärkt für den September, in dem das Gesetz beschlo0ssen werden soll. Die Demos richten sich gegen den Umbau zum Law&Order Staat, die vielen selbstgemachten Schilder der Demonstranten zeigen deutlich dass diese Entwicklung eingeordnet in den allgemeinen gesellschaftlichen Rechtsruck.

IV. Bewegung gegen die AfD direkt: Höhepunkt war hier ganz klar die 72.000 in Berlin am 27.5., die Demonstration in Augsburg gegen den AfD-Parteitag war mit 5000 Teilnehmern deutlich kleiner aber für den Kampf gegen Rechts in Bayern ein Erfolg. Daneben gibt es natürlich nach wie vor diverse größere und kleinere Proteste und Aktionen gegen die AfD und Nazigruppen.

Wenn wir die Zahlen aller vier Bewegungsstränge zusammen addieren und auch wenn wir davon davon ausgehen, dass es beim Publikum (also zum Beispiel Anti-AfD-Protest in Berlin und Seebrücken-Demo mit 10.000 in Berlin kurz darauf) viele Überschneidungen gibt, waren im Sommer 2018 bisher weit über hunderttausend Menschen aktiv gegen den Rechtsruck auf der Straße und insbesondere durch die Seebrücke-Aktionen nicht nur geballt an wenigen Zentren sondern auch in die Fläche bis in die Kleinstädte hinein. Er ist also tatsächlich da, der von uns herbeigesehnte „Sommer des Antirassismus und Antifaschismus“. Das sehen natürlich nicht nur wir so: Die IL schreibt „der Sommer der Solidarität hat begonnen“ und auch die Parteispitze der LINKEN bezieht sich durchweg positiv auf die Welle der Aktivität.

Auch hier in Hamburg gibt es weiterhin zahlreiche Gelegenheiten, gegen Rechts auf die Straße zu gehen (siehe Terminleiste rechts). Macht mit bei Aufstand gegen den Rechtsruck!